„Nachhaltigkeit in der Verbindung“ von Emil Kotissek (Senior RhN!)

Liebe Bundesbrüder, verehrte Gäste, liebe Freunde unseres Hauses,

wie jedes Jahr treffen wir uns hier, um den Fortbestand unserer Verbindung zu feiern. Ein Anlass, an dem wir zurückblicken dürfen – auf das, was war – und ebenso voraus – auf das, was sein soll. Heute will ich diesen Moment nutzen, um etwas in die Zukunft zu blicken. Neben dem offentsichtlichen Bezug zu meinem Studium der Umweltschutztechnik, hat es meiner Meinung auch viel damit zu tun, was wir  uns hier gemeinsam aufgebaut haben: Es ist die Nachhaltigkeit.

Ein großes Wort. Vielleicht mittlerweile wie ich finde auch ein sehr überladenes. Vielleicht von euch, aber definitiv von mir in den letzten Semestern schon zu oft gehört. Doch was heißt das eigentlich – nachhaltig leben, denken, handeln, sein – und: was kann eine Studentenverbindung nachhaltig machen?

Wenn man über Nachhaltigkeit spricht, denkt man oft an erneuerbare Energien, Recycling, Veggie-Days oder an das Vermeiden von Plastik. Doch das ist nur ein Aspekt der Nachhaltigkeit. Vor allem die soziale Nachhaltigkeit beginnt nicht auf dem Bio-Markt – sondern in unseren Köpfen. In unserem Umgang miteinander. In dem, wie wir Strukturen aufbauen – und ganz besonders darin wie wir sie erhalten. Denn was ist eine Verbindung anderes als ein generationsübergreifendes Projekt? Ein lebendiges Geflecht aus Erinnerungen, Erfahrungen, Idealen, Ritualen – das immer wieder neu zusammengesetzt wird, weil Menschen sich dazu entscheiden,  ein Teil davon zu werden, wie auch ich es erst letztes Jahr tat.

Wir leben in einer Zeit, in der alles schneller wird. Studiengänge, Nachrichten, Beziehungen. Alles will sofort bewertet, kommentiert, geteilt und optimiert werden. Wer heute mit 25 noch kein Unternehmen gegründet oder sich wenigstens selbst verwirklicht hat, fragt sich manchmal, ob er schon abgehängt wurde. Doch was bleibt, wenn der Akku leer ist? Wenn das WLAN ausfällt? Wenn der Algorithmus mal nicht weiß, was wir als Nächstes brauchen?

Dann bleibt das, was sich nicht einfach mal möglichst schnell produzieren lässt: echte Beziehungen. Zeit. Verantwortung. Gemeinschaft. Dinge, die sich nicht beliebig reproduzieren lassen – und genau das macht sie nachhaltig.

Eine Verbindung wie die unsere ist in gewissem Sinne ein Trainingslager für nachhaltiges Handeln. Wir übernehmen Ämter, weil es nicht anders geht – und weil wir gelernt haben, dass Dienst an unserem Verein kein Rückschritt ist, sondern der Preis für echte Zugehörigkeit. Wir diskutieren in Conventen, ob die Getränkekasse 27 Cent im Minus ist – nicht, weil uns das reich macht, sondern weil wir wissen: Verantwortung beginnt bei Kleinigkeiten. Und wir streiten – ja, wir streiten sogar oft – aber mit dem Ziel, uns nicht aus dem Weg zu gehen, sondern weiter miteinander zu leben.

Nachhaltigkeit bedeutet auch: Den nächsten Generationen einen Ort zu hinterlassen, den sie nicht nur bewohnen, sondern weiterentwickeln können. Und genau das tun wir, jedes Mal wenn wir unsere Zeit, unsere Gedanken, unsere Energie in dieses Haus stecken. Wenn wir über Dinge sprechen, die über den Tag hinausgehen. Wenn wir Werte verteidigen, ohne sie zu konservieren.

Wir müssen uns auch fragen: Was für eine Welt wollen wir mitgestalten – als gebildete junge Menschen, als Akademiker, als Freunde, als Mitmenschen? Es reicht nicht, dass unser Kühlschrank stromsparend ist, wenn wir im Kopf verschwenderisch mit unseren Idealen umgehen. Und es hilft nichts, Ökostrom zu beziehen, wenn wir im Herzen leer laufen.

Vielleicht ist Nachhaltigkeit am Ende nichts anderes als ein anderes Wort für Haltung. Für das, was bleibt, wenn es unbequem wird. Für das, was wir weitergeben, auch wenn wir es nicht selbst erleben. Für die Fähigkeit, nicht nur für sich selbst zu leben, sondern auch für andere – auch für Menschen, die wir nie kennenlernen werden.

Denn das ist es, was wir hier feiern: Nicht nur die Vergangenheit, sondern die Möglichkeit, dass Zukunft möglich bleibt – durch uns. Und ich glaube: Gerade wir als Verbindung haben etwas beizutragen. Unsere Gemeinschaft lebt davon, dass Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, über Jahre, über Generationen hinweg. Dass wir einander nicht egal sind.

Und genau das ist in meinen Augen gelebte Nachhaltigkeit.

Lasst uns also nicht nur anstoßen auf vergangene Zeiten, sondern auch auf das Morgen, das wir mitgestalten. Lasst uns weiter daran arbeiten, dass dieses Haus nicht nur eine Unterkunft ist, sondern ein Ort des Austauschs, der Rücksicht, der Entwicklung. Und lasst uns dabei niemals vergessen: Nachhaltigkeit ist nicht Verzicht – sondern eine Entscheidung für das Wesentliche.

Nun bleibt nicht viel mehr zu sagen als vivat, crescat et floreat Rheno-Nicaria ad multos annos.

Kategorien: Festreden

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